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Verschwörungsdenken und psychische Erkrankungen

Gesellschaftliche Krisen rufen bei vielen Menschen Unsicherheiten hervor, die sie dazu verleiten, „offizielle“ Erklärungen in Frage zu stellen und einen Schuldigen als Ventil für ihre Ängste zu suchen. Verschwörungen zu vermuten, ist seit je her ein Teil unserer menschlichen Kultur. Wir konstruieren permanent Zusammenhänge zwischen Geschehnissen, um für uns ein System zu entwickeln, an dem wir uns orientieren können. Die Funktion solcher Theorien besteht in einer Sinnsuche und dem Wunsch nach Kontrolle in einer als chaotisch empfundenen Welt.

So genannte Verschwörungstheorien sind also kein neues Phänomen, finden aber vor allem über moderne Medien, wie Internet und soziale Netzwerke immer größere Verbreitung.

Viele Menschen finden Verschwörungstheorien interessant und reizvoll. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange man nicht jede freie Minute damit zubringt und sich nicht in einem Netz aus Konstrukten verfängt. Misstrauen und Verschwörungsängste sind nicht per se mit einer psychischen Störung gleichzusetzen. Dennoch können paranoide Gedanken – gerade bei labilen Menschen – Ausgangspunkt für verschiedene psychische Krankheiten sein. Auffälligkeiten, die mit Verschwörungswahn einhergehen, können sich unter anderem bei dem Borderline-Syndrom, bei der bipolaren Störung, bei diversen Angststörungen und insbesondere der paranoiden Schizophrenie zeigen. Bei schizophrenen  Erkrankungen geht das Verschwörungsdenken meist mit Verfolgungswahn einher. Betroffene stellen Zusammenhänge zwischen besonderen Ereignissen in ihrer Umwelt und ihrer eigenen Person her, was zu einer starken  Verunsicherung führen kann. Psychotische Menschen fühlen sich ihrer Außenwelt hilflos ausgeliefert. Oft isolieren sie sich stark von ihrem sozialen Umfeld. Der Erkrankung liegt ein gestörter Hirnstoffwechsel zugrunde, was dazu führt, dass irrelevante Wahrnehmungen nicht mehr von relevanten unterschieden werden können und deshalb an Bedeutung gewinnen. Gesellschaftliche Krisen, die mit dem Erleben von Angst und Bedrohung einhergehen, können maßgeblich zum Ausbruch einer Psychose beitragen, wenn die betroffene Person nicht mehr in der Lage ist, den erlebten Stress durch eigene Kraft zu kompensieren. Im frühen Krankheitsstadium haben Betroffene oft das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Im späteren Verlauf entwickeln sie ganze Wahnsysteme, die ihnen Erklärungen für das für sie als unerklärlich Erlebte, liefern. Eine solche Störung sollte so schnell wie möglich behandelt werden, um den Betroffenen davor zu bewahren, sich selbst oder seinem Umfeld zu schaden.

Auch gesunde Menschen leiden gelegentlich unter paranoiden Gedanken. Sie fühlen sich beobachtet oder denken, dass andere schlecht über sie reden. Ein gewisses Maß an Misstrauen ist durchaus sinnvoll, damit wir erkennen, wenn andere uns Schaden zufügen wollen. Geht es aber so weit, dass Betroffene ihren Freunden nicht mehr vertrauen und sich verfolgt fühlen, kann das paranoide Gedankengut schädliche Auswirkungen zur Folge haben. Die Unterscheidung zwischen realer Bedrohung und krankhafter Paranoia, obliegt der Überprüfung durch entsprechende Fachärzte. Umfragen zufolge, glaubt etwa die Hälte der Bevölkerung der USA an mindestens eine Verschwörungstheorie. Dies führt uns die weite Verbreitung des Phänomens vor Augen. Hinsichtlich ihres Verschwörungsthemas entwickeln einige Menschen einen regelrechten Fanatismus. Sie misstrauen allen Medien und Politikern, außer denjenigen, die ihre Verschwörungsthesen verbreiten. Anhänger der Theorien betrachten sich als diejenigen, die die potentiellen Machenschaften durchschauen. Verschwörungsideologien liefern Antworten auf das Warum und reduzieren somit innere Widersprüche und damit verbundenes Stresserleben. Sie sind Ausdruck einer Suche nach Orientierung und Kontrolle in einer als ungewiss und nicht beeinflussbar erlebten Welt. In jedem Falle handelt sich um eine komplexe Erscheinung, die die aktuelle Verunsicherung und Ohnmachtsgefühle vieler Menschen in Bezug auf die aktuellen Geschehnisse widerspiegelt.